Winter früher und heute (Teil 1)

Alle Jahre wieder – kommt er, der Winter! Mal mehr, mit viel Schnee, mal weniger, mit kaum Schnee. Und getreu dem Werbeslogan einer namhaften Bank sind freie Wege wahrlich ein ernst zu nehmendes Thema unserer schnelllebigen Zeit geworden. Wir alle wissen: „Zeit ist Geld“. Doch wie war es eigentlich früher, als die technischen Möglichkeiten zum Schneeräumen noch begrenzt waren, wo Muskelkraft und Pferdestärken und nicht die PS-Giganten der heutigen Zeit  die Wege frei machten?

Wurden die Menschen vergangener Zeiten früh morgens von der weißen Pracht überrascht, hatten sie zu allererst einmal die „Ruhe weg“ und blieben zu Hause. Kaum jemand störte sich daran, denn die meisten Menschen arbeiteten ohnehin in der Landwirtschaft, die nach dem Einbringen der Wintervorräte bereits seit Wochen weitestgehend ruhte. Für die Bauern kam ein Schneechaos sogar gerade recht, denn jetzt war Zeit für all die Arbeiten, die über das Jahr liegen geblieben waren oder sogar für den Winter aufgespart wurden. Musste man tatsächlich zu einem anderen Ziel, harrte man aus, bis das Schneetreiben dies irgendwie zuließ.

Mit der voranschreitenden Organisation innerhalb der Dörfer, musste allerdings eine Lösung gefunden werden. So wurden dorfintern Schneeräumaktionen auf den wenigen Straßen und Handelswegen organisiert. Hierzu wurden seitens der Gemeinden Bürger verpflichtet, die die Wege frei schaufelten. Den Schneeschauflern wurde hierzu ein Streckenabschnitt zugeteilt, wobei die Kunst schon alleine darin bestand, die Trasse unter dem Schnee zu finden, denn die Wege waren normalerweise schlecht ausgebaut. Häufig waren sie kaum von der Wiese daneben zu unterscheiden. Waren die Schneemassen zu stark, dann musste „geschanzt“ werden. Eine besondere Technik, wobei der Schnee dann in mehreren Etappen aufgeschichtet wurde. Diese Fronarbeiten im Dienste der Allgemeinheit waren später Pflicht und seit dem zweiten Weltkrieg erhielten die Schneeschaufler für ihre Tätigkeit auch einen geringen Lohn. Schneeräumen war zudem eine willkommene Abwechslung bei den Bürgern, denn man hatte hierbei Zeit, ohne Hektik wieder einmal ausgiebig miteinander zu plaudern. Mit dem Aufkommen der Gaststätten wurden diese Gespräche nach getaner Arbeit in die Schankräume der Dörfer verlegt. Auf diese Weise wurde quasi der „Wirtschaftskreislauf“ in Gang gehalten und das gerade ausgezahlte Geld häufig schon wieder umgesetzt. Jedenfalls ging es in den Dörfern noch urgemütlich zu.

Für Streckenabschnitte zwischen den Dörfern wurden von den Gemeinden seit etwa 1920 bereits Straßenwärter eingestellt, die damit beauftragt waren ihren Abschnitt zu jeder Jahreszeit gegen Entlohnung in Ordnung zu halten. Im Winter war dies allerdings gerade bei großen Schneemassen und Schneeverwehungen auch für diese äußerst schwierig, wobei mit dem voranschreitenden Warenverkehr auch die Ansprüche bezüglich geräumter Strecken stiegen. Es kamen die ersten Schneeräumgeräte, die sog. Bahnschlitten, auf. 

Hierbei handelte es sich um einfache Holzgestelle in dreieckiger Form, die mit Eisen verstärkt waren und durch herausklappbare Seitenteile verbreitert werden konnten. Je nach Schneemenge waren sie bei Winterbeginn, bei Pulverschnee und geringen Schneemassen breiter ausgefahren und später im Winter und großen Schneemassen enger eingestellt, bis sie in Extremfällen schließlich nur noch eine schmale Furt hinterließen. Hinten am Bahnschlitten war eine Verlängerung angebaut, um den Schlitten in der Spur halten zu können. Diese Bahnschlitten mussten mit Last beschwert werden, um nicht über die Schneemassen zu gleiten. Hierzu wurden Steine aufgelegt oder es stiegen Mitreisende zu. Diese kamen so bequem an ihr Ziel und der Fahrer hatte eine willkommene Abwechslung an Bord. Diese Bahnschlitten wurden von zwei, vier, sechs oder seltener acht Pferden gezogen. Hatte eine Gemeinde keine Pferde verfügbar, wurden alternativ Ochsen eingespannt, was jedoch die Räumgeschwindigkeit minimierte.
Diese Schlitten konnten in den ersten Jahren nur bei Tageslicht eingesetzt werden, denn nachts war es ein waghalsiges Unterfangen, die Straßen und Wege ohne künstliches Licht zu räumen. Eine zusätzliche Beleuchtung kam erst später auf. Nicht selten landete der Bahnschlitten im Straßengraben und musste befreit werden. Er kam quasi von der rechten Bahn ab! Zudem war der Sitz des Fahrers und der Beifahrer kalt. Eine warme Kabine fehlte gänzlich. Es war also nicht gerade der begehrteste Job.

Thomas Müller, Schloßau 2017

Quellen:

- Joachim Mai, Mudau
- Archiv Bruno Trunk
- mündliche Überlieferungen

Bild 1: Schneeschanzen im Mörschenhardter Kapellenweg in den 50er Jahren

Bild 2: Schanzarbeiten bei Mülben um 1934

Bild 3: Bahnschlitten am Bahnübergang bei Sattelbach 1949